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Weshalb kritische Fragen in der Politik nötig sind

Aktualisiert: 28. Aug.

600'000 Franken – das ist kein unbedeutender Betrag. Vor allem, wenn man weiss, dass dies etwa fünf Prozent des jährlichen finanzpolitischen Handlungsspielraums unserer Stadt ausmacht.



An seiner Sitzung vom 19.08.2024 hatte der Stadtrat zweimal die Gelegenheit gehabt, über einen Kredit in dieser Grössenordnung zu diskutieren. Für den (einmaligen) Rahmenkredit für die Vorbereitungsarbeiten für die «Sanierung und Erweiterung der Kunsteisbahn» wurden den Parlamentsmitgliedern Unterlagen von mehr als 20 Seiten vorgelegt und sogar noch eine Informationsveranstaltung angeboten. Für den Budgetkredit für nicht gebundene (d.h. freiwillige) Ausgaben zugunsten des Stadttheaters in der Höhe von rund 650'000 Franken lagen keine Erläuterungen vor. Das war die Ausgangslage vor dieser Stadtratssitzung.


Die Fraktion FDP.Die Liberalen/jll stellte einen Antrag, der es ermöglicht hätte, im Rahmen einer zweiten Lesung die Ausgaben bezüglich des Stadttheaters zu diskutieren. Dieser Antrag wurde durch den Stadtrat abgelehnt.


Das ist der Rahmen der medialen Berichterstattung. Worum geht es aber im Kern?


Unsere Stadt stellt unserer Bevölkerung ein Angebot zur Verfügung, das diese über den Steuerhaushalt finanziert. Das ist gut so und es ist auch richtig so. Unsere Stadt soll ihren Einwohnerinnen und Einwohnern einen guten Service public anbieten; auch ist es klar, dass dies etwas kostet. Jedoch ist es die Aufgabe der Politik, klare Entscheide abzuholen, wie das Service-Angebot unserer Stadt aussehen soll und wie viel dieses kosten darf. Angebote, die zu einem früheren Zeitpunkt Sinn gemacht haben, müssen nach einer gewissen Zeit hinterfragt und inhaltlich justiert werden. Etwas unverändert weiterzuführen, ohne dass es den Anforderungen der heutigen Zeit entspricht, ist eine Verschwendung von Ressourcen.


Ein Teil dieses städtischen Angebots umfasst auch den kulturellen Bereich. Unsere Fraktion unterstützt dies. Auch für uns ist es klar, dass kulturelle Angebote primär kosten. Deshalb sind viele Mitglieder unserer Fraktion auf privater Basis engagiert, um durch Spenden und vor allem durch Freiwilligenarbeit kulturelle Angebote in dieser Stadt zu ermöglichen. Wir betreiben auch kein Stadttheater-Bashing, sondern verlangen einzig, dass eine echte politische Diskussion über die Verwendung von städtischen Geldern geführt wird.


Mit unserem Antrag in der Budgetdebatte wollten wir eine solche Diskussion anstossen. Nach unserem Verständnis ist die Aufgabe der Politik, in Kenntnis der Fakten Entscheide zu fällen und der Öffentlichkeit diese Entscheide zu begründen; wenn politische Gremien nicht bereit sind, kontroverse Fragen zu diskutieren, verlieren sie ihre demokratische Berechtigung. Deshalb sind wir der Auffassung, dass es Aufgabe der Politik wäre, in der Öffentlichkeit und damit unter Einbezug der Stimmberechtigten zu diskutieren, welches Angebot unsere Stadt heute anbieten soll.


In Langenthal fehlen dazu die Instrumente. Dem Stadtrat werden – zumindest in vielen Fällen – nicht richtungsweisende oder grundsätzliche Entscheidung vorgelegt, sondern das Parlament kann sich erst bei der Verabschiedung von fixfertig durchberatenen Geschäften zum fertigen Produkt äussern. Das führt dazu, dass – wenn bspw. die Grundsatzfrage diskutiert werden soll, welche Kultur die Stadt fördern soll – jemand einen Sparantrag im Rahmen der Budgetdebatte stellen muss. Dies ist nicht zielführend, aber die einzige Möglichkeit, ein Thema politisch zur Diskussion zu stellen.


Diese Vorgehensweise ist nicht zwingend. Eine andere – in unserer Stadt nicht angewendete – Vorgehensweise läge beispielsweise darin, dem Parlament eine (mehrjährige) Kulturstrategie vorzulegen, in welcher diskutiert und dann geklärt würde, welche Art von Kultur und mit welchem Mitteleinsatz in den nächsten vier, fünf oder sechs Jahren durch die Stadt gefördert werden soll. Gestützt auf diesen Strategiebeschluss könnten dann den einzelnen Institutionen für die gesamte Strategieperiode Mittel zugesagt werden. Dieser Beschluss hätte zur Folge, dass die Kulturinstitutionen Planungssicherheit hätten und dass das Thema im Rahmen der nächsten Budgetdiskussion geklärt wäre, denn es würde sich während der Strategieperiode um eine gebundene Ausgabe handeln, die im Rahmen des Budgets nicht mehr in Frage gestellt werden könnte.


Heute ist es in unserer Stadt jedoch so, dass die Definition, welche kulturellen Aktivitäten gefördert und welche Mittel dafür aufgewendet werden sollen, von einem kleinen Kreis von Menschen und unter weitgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit festgelegt wird. Die gefällten (Vor-)Entscheide treten erst im Rahmen der Budgetdebatte ans Licht; die Begründungen dieser Entscheide finden sich nicht in den Stadtratsakten zum Budget. Trotzdem ist die jährliche Budgetdebatte der einzige Ort, wo das Parlament strategische Fragen aufwerfen kann; dass dann in der Budgetdebatte wenig Bereitschaft besteht, eine solche Diskussion zu führen, liegt in der Natur der Sache. Damit bleibt alles beim Alten und es bewegt sich nichts in unserer Stadt.


Diese falsche Prioritätensetzung in der politischen Entscheidfindung ist ein grundsätzliches Problem der Langenthaler Politik und betrifft nicht nur den Kulturbereich, sondern nahezu alle städtischen Aufgaben.


Es ist bekannt, dass unsere Stadt in finanzieller Hinsicht ein strukturelles Defizit im Umfang von – je nach Betrachtung – zwischen zwei und vier Millionen aufweist. Dieses politische Problem wird heute – auf Kosten der nächsten Generation – vor sich hergeschoben. Es kann nur gelöst werden, wenn in einem schrittweisen politischen Prozess zunächst strategische Fragen geklärt werden (Wohin wollen wir unsere Stadt entwickeln? Welches Angebot wollen wir als Stadt erbringen? Welche Ausgaben sind dafür nötig? etc.). Sind diese Grundsatzentscheide einmal gefällt, ist es relativ einfach, die finanziellen Folgen daraus abzuleiten und die nötigen Entscheide zu treffen.


Wird aber – wie seit Jahren – strategischen Fragen aus dem Weg gegangen, ist es nicht möglich, die Zukunft unserer Stadt nachhaltig zu gestalten; auf diesem Weg werden wir immer alte Lasten, die einmal gut gewesen sind, in die Zukunft weiterschleppen. Die weitere Entwicklung unserer Stadt wird dann immer auf Einzelentscheiden beruhen, die kein kohärentes Ganzes ergeben. Dies gefährdet die florierende Zukunft unserer tollen Stadt.

 

Nicht selten wird beklagt, der Stadtrat würde sich mit Detailfragenbefassen; und es wird gefordert, er solle sich darauf beschränken, strategische Vorgaben zu machen. Wer diese Auffassung vertritt, müsste dafür sorgen, dass die politischen Prozesse unserer Stadt entsprechend angepasst werden. Unsere Partei regt solche Grundsatzdiskussionen schon seit Jahren an, ausserhalb unserer Fraktion finden wir dafür aber kaum Gehör. Wenn wir jedoch in den alten Schuhen weitermarschieren, sind wir als Stadt nicht für die Herausforderungen der Zukunft gerüstet.

 

1 Kommentar

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Convidado:
26 de ago.

In alten Schuhen weitermarschieren. Genau! Das ist wie zum Beispiel in einer maroden Halle Hockey spielen oder in nicht mehr sanierbaren Kindergärten Liedli singen: lalalablabla ...

Sabine Mühlethaler

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